Montag, 19. Dezember 2011

TH-Wonderland Adventskalender Tür 19

Wenn Lebkuchenherzen flüstern...


...geht weiter. Der vierte und damit vorletzte Teil wartet auf euch...


Wenn Lebkuchenherzen flüstern Teil IV





Titel: Wenn Lebkuchenherzen flüstern …
Rating: P12
Genre: Lovestory / Weihnachten
Hauptpersonen: Bill, Tom
Zusammenfassung: Weihnachten, ein Fest, das Bill über alles liebt, obgleich es ihm unweigerlich und schmerzhaft vor Augen führt, dass er doch ziemlich allein ist. Auch Tom, der momentan tagein, tagaus auf dem Weihnachtsmarkt arbeitet, mangelt es eindeutig an Gesellschaft. Bis sie aufeinandertreffen.







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  • Teil VI
     


    12.12.2011

    Verwirrt schlug Tom die Augen auf. Warum befand er sich nicht in seinem Bett? Wo war er? Warum tat sein Rücken so weh? Woher stammte dieses Druckgefühl an seiner Schulter, diese Wärme? Er blinzelte noch einmal, sah sich dann um. Es war… Bill. Wie war der noch einmal hierhergekommen? Irgendetwas war doch da… genau. Gestern hatte er ihn mit zu sich nach Hause genommen, sie hatten sich hier auf der Couch „The day after tomorrow“ angesehen und Bill war am Ende eingeschlafen. Woraufhin der Hopper, der dies genossen hatte, sich erst schlafend gestellt hatte und dann tatsächlich weggenickt war.

    Bill neben ihm schmatzte, bewegte sich und öffnete dann seine Augen. Putzig sah er aus, wenn er so verschlafen in die Gegend blickte. Sein Gesichtsausdruck zeugte einen Augenblick lang vom Schreck, der ihn erfasste, als er Toms Gesicht vor sich sah. Das hatte beileibe nichts damit zutun, dass der so grässlich aussah, denn das entsprach absolut nicht der Wahrheit. Sein Anblick kam für Bill nur unerwartet.

    „Bin ich… eingeschlafen?“, wollte er zögerlich wissen.

    Tom nickte. „Und für mich gilt ganz offensichtlich das Gleiche.“ Er spürte, wie sein Gewissen sich rührte, weil er bei seinem Plan, die Wahrheit ein wenig zu verfremden indem er bestimmte Details verschwieg, geblieben war. Er wollte Bill nicht anlügen, um dessen Vertrauen nicht zu verletzen, aber genau genommen tat er das ja auch gar nicht, oder?
    „So müde war ich eigentlich gar nicht. Vielleicht lag’s ja daran, dass ich so pappsatt war.“, lautete Bills Hypothese. Zumindest war es das, was er zu denken vorgab. Denn die Realität sah ein wenig anders aus. Richtig verwegen hatte Bill sich für seine Verhältnisse verhalten. Hatte sich einfach fallenlassen. Gegen Toms Schulter. Die Augen geschlossen und plötzlich war er weggewesen, so gut hatte sich das angefühlt.
    Er richtete sich auf, obgleich er gerne so an den Hopper gelehnt sitzen geblieben wäre, sah zu, wie dieser sich streckte. Seine Gelenke knackten dabei leicht.
    „Soll ich Frühstück machen?“ Toms Wangen waren von einer zarten Röte überzogen.
    Bill signalisierte seine Zustimmung, strahlte sein Gegenüber beinah an.
    „Brötchen? Oder Toast? Davon hängt’s ab, ob ich noch zum Bäcker muss, oder eben nicht. Toast hab ich nämlich immer da, das macht nicht so viel Umstände und normalerweise lohnt sich alles andere für mich ja nicht.“
    „Toast“, nuschelte sein Angebeteter, wie er ihn scherzhaft bezeichnete, in seinen nichtvorhandenen Bart. „Wo ist denn die Toilette?“ Ja, dieses Bedürfnis, das plagte ihn schon ein wenig.
    Tom erstarrte: „Wie konnte ich das nur vergessen?“, er schlug sich die Hand an die Stirn, „Tut mir leid, warte, ich zeig’s dir. Hättest du doch gestern schon was gesagt, ich hab nicht so oft Gäste, die auch über Nacht bleiben.“
    Also zeigte Tom seinem Gast die Toilette und ging dann in die Küche um alles zusammenzukramen, was sie jetzt für ein ausgiebiges Frühstück brauchten. Er freute sich, mal nicht alleine früh aufzuwachen und essen zu müssen. Es war viel schöner, angenehmer, wenn man da jemanden bei sich hatte.
    Fünf Minuten später war der Wohnzimmertisch voll gedeckt. Tom hatte zum Durchlüften die Terrassentür geöffnet, was ihn zwar etwas frösteln ließ, aber was sein musste, musste nun mal sein.
    Das Plingen des Toasters bedeutete dem Hopper, dass das zweite Paar Toasts fertig war. Eilig ging der 23 Jährige also zurück in die Küche und legte die zwei Scheiben in ein kleines Brotkörbchen, ehe er die nächsten beiden in den Toaster steckte. Er hatte Hunger und Bill bestimmt auch. Außerdem war es peinlich, wenn man Besuch hatte, dieser bei einem aß und dieser dann drum bitten musste, noch eine Scheibe zu bekommen, weil er noch nicht satt war - oder gar noch hungrig ging, weil er sich nicht traute um mehr Brot zu bitten. Nein, da machte Tom lieber vorsorglich 10 Scheiben, das würde dann hoffentlich genügen und sollte es zu viel sein, konnte er sich ja noch die übrigen beschmieren und mit auf Arbeit nehmen.
    „Musst du heute auch auf den Weihnachtsmarkt?“, kam Bill gähnend in die Küche und schnupperte sichtlich einen kleinen Moment nach den frischen Toasts. Wie süß ...
    Tom nickte.
    „Ja, ich muss jeden Tag bis Weihnachten arbeiten. Ist zwar blöd heute zum Sonntag wieder anzutreten und klar ist‘s auch anstrengend, vier Wochen jeden Tag für rund zwölf Stunden zu arbeiten ... aber was soll ich machen? Ich will meinen Dad nicht im Stich lassen, außerdem ist‘s ein herrlicher Schub Kohle, das kann man immer gebrauchen! Klar könnten die Gs mich teilweise vertreten, aber die arbeiten halt gekürzt und wie heute zum Sonntag, wird die Hölle los sein, weil fast alle nicht arbeiten müssen und die Kinder auch zu Hause sind. Außerdem ist Advent, das kurbelt die Stimmung noch mehr an, vom Wetter - Sonne mit ein klein wenig Schneefall, was mehr als perfekt ist - und zu allem Überfluss hilft heute nur Gustav! Eigentlich viel zu wenig, ich seh mich schon heute Abend tot ins Bett fallen, aber wie gesagt, was soll ich machen? Ist mein Dad und Geld kann man immer gebrauchen ... Auch wenn ich nach den vier Wochen wohl erst mal mindestens genauso viel Urlaub brauch!“
    Lachend legte der Hopper zwei neue Scheiben in den Toaster, nachdem er das Körbchen wieder um zwei bereicherte.
    Ihm schwirrte der Gedanke im Kopf herum, dass Bill ihm helfen würde bei der Arbeit, er würde sich drüber freuen und so wie Bill gestern gearbeitet hatte, dieser sicher auch, aber das wäre dann wohl sowas wie Schwarzarbeit, wenn er auch noch Geld dafür bekommen würde. Und unentgeltlich ... nein, Tom wollte Bill nicht ausnutzen und ihn ohne Bezahlung arbeiten lassen. Von daher musste er sich heute wohl mit Gustav auf den Besucheransturm freuen oder hoffen, dass das Wetter noch scheiße wurde und die potentiellen Besucher ein wenig vertrieb ...
    Die beiden setzten sich, Bill beschmierte eine der Toastscheiben mit Butter, ehe er sie sorgfältig belegte. Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete Tom ihn dabei. Ganz gleich, was Bill tat, irgendwie sah er dabei stets ziemlich anbetungswürdig aus. Wie stellte er das nur an?
    „Musst du dann nicht gleich los?“, erkundigte Bill sich zwischen zwei Bissen. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, ihn aufzuhalten.
    „Nein, nein. Um diese Zeit sind noch nicht viele Leute unterwegs, ich hab noch circa ne Stunde, ehe ich losmuss, damit ich pünktlich bin. Mach dir da mal keine Sorgen.“
    Der Gesichtsausdruck Bills zeugte von Zufriedenheit, während er weiteraß. Hatte er jemals schon so etwas Köstliches gegessen? Meine Güte, es war doch nur Toast, schalt er sich. Rein gar nichts Besonderes. Diese Aufregung rührte mit Sicherheit nur daher, dass er sich freute, nicht allein in seiner Wohnung aufgewacht zu sein. Bestimmt.
    Vollkommen in Ruhe frühstückten sie beide, bis Tom dann ins Bad ging und sich anzog. Langsam musste er sich wirklich beeilen. Klar, bei seinem Chef handelte es sich um seinen Vater, käme er also mal zu spät, würde er wohl nicht gefeuert werden, dennoch sollte er es nicht darauf anlegen. Denn am liebsten würde er sich krankmelden, um den Rest des Tages mit dem Menschen verbringen zu können, welcher in seinem Wohnzimmer auf der Couch saß. Noch hatte er diese Frage nicht ausgesprochen, doch am liebsten wäre es ihm, Bill gleich mitzunehmen. Doch… was sollte er denn da? Nicht, dass er sich dort dann nur langweilte, das wollte er nicht.
    Hastig machte er sich fertig, woraufhin er außer Atem zurück ins Wohnzimmer stürmte. Ja, so war das wohl, wenn man verliebt war. Man machte sich ein wenig lächerlich. Nicht, dass ihn das gerade allzu sehr störte. Solange Bill nichts dagegen einzuwenden hatte.
    Ob er eventuell mal mit ihm den Weihnachtsmarkt unsicher machen könnte? Denn er arbeitete dort zwar den ganzen Tag, mit den Karussells beispielsweise war er allerdings bisher nie gefahren. Ob er das mal ändern sollte? Könnte spaßig werden. Und wenn Bill dabei war, vielleicht sogar romantisch. Hoffen durfte man ja mal. Doch hätte er dazu Zeit? Ach. Er würde sich schon welche schaffen. Wenn nicht heute, dann eben morgen.
    „Ich… hab nur gewartet, weil ich dachte… naja, wir hatten uns ja nicht verabschiedet, deswegen dachte ich, es wäre unhöflich zu gehen und… so richtig wichtig war mir das jetzt auch nicht. Also… zu gehen.“, Bill errötete.
    „Soll ich dich bei dir Zuhause absetzen? Nehm ja mal an, dass du dich – ganz gleich, was du für den Rest des Tages geplant hast – noch umziehen willst.“ War dieser Wink mit dem Zaunpfahl zu offensichtlich?
    „Das wär vielleicht ganz gut.“, sein Gast kicherte, „Schließlich hab ich in den Klamotten geschlafen. Nicht, dass ich heute was vorhätte, aber… Naja, du weißt schon.“
    Der Hopper strahlte: „Wenn es dir nichts ausmacht, könntest du ja danach wieder vorbeikommen, also… falls du magst. Hab darüber nachgedacht, mich selbst mal ein wenig auf dem Markt umzusehen, das nehme ich mir jedes Jahr vor, doch irgendwie kommt es immer zu kurz.“
    Ein schräges Lächeln zierte die Lippen des Hoppers, als er sich auf den Sessel setzte und nun auch noch seine Schuhe anzog.
    „Hm ... muss ich mal sehen ... Kommt auf das Wetter drauf an und so ...“, zögerte Bill und erwiderte das schiefe Grinsen.
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    Es war bereits 21 Uhr, als Tom sich auf den Stuhl hinter dem Tresen fallen ließ und angestrengt schaubte. Es war heute wieder verdammt viel los und es war jetzt schon der zigste Tag, an dem er hintereinander weg zwölf Stunden arbeiten musste. Etwa die halbe Weihnachtzeit hatte er hinter sich, was hieß, er musste etwa noch einmal genauso lange durchhalten. Wenn er ehrlich zu sich war, bezweifelte er, dass er das schaffen würde, denn er konnte schon jetzt nicht mehr. Zwölf Stunden am Tag Hetzarbeit, dazu auch noch kaum Freizeit und Schlaf, immerhin machte der Haushalt sich nicht von alleine.
    Zu allem Überfluss war Bill heute nicht mehr gekommen. Ob es ihm gestern dann doch zu viel war? Ob er doch herausbekommen hatte, dass Tom ihn am Morgen angelogen hatte, als er behauptete, er sei auch beim Film gucken eingeschlafen?
    Egal, das ließ sich jetzt nicht ändern. Er war so k.o. dass er sich nicht einmal darüber ärgern konnte. Eigentlich wollte er nur noch nach Hause, ins Bett und schlafen, wenn er schon nicht hatte mit Bill über den Weihnachtsmarkt bummeln können.
    Er musste wohl wirklich die Tage mal seinen Vater fragen, ob er wenigstens einen Tag freibekam. Mal richtig ausschlafen, ausruhen und entspannen, täte ihm sicher gut. Nicht dass er dann zu Weihnachten im Bett lag und schlief, weil er an dem Tag dann ausnahmsweise schon um 14 Uhr Schluss hatte, oder er noch krank wurde vor Erschöpfung. Er wollte ja nicht rumjammern, aber 24 Tage hintereinander weg, jeden Tag zwölf Stunden Arbeiten, ohne richtige Pause und so... das war nun mal anstrengend!
    Ein Räuspern hinter dem Rücken des Hoppers erweckte die Aufmerksamkeit des 23 Jährigen. was denn nun schon wieder? Hatten die Besucher des Marktes noch immer nicht genug? Konnten sie ihm nicht wenigstens mal fünf Minuten Ruhe gönnen?
    „Besuch für dich! Er hat gesagt, du wolltest mit ihm über den Weihnachtsmarkt gehen ... Na komm schon, geh ruhig, die letzte Stunde schaffe ich es schon alleine, das Geschäft zu schmeißen!“
    Tom hätte Gustav vor lauter Dankbarkeit um den Hals fallen können. Er war wirklich sein Retter. Ein Engel. Sein Weihnachtsgeschenk würde Tom wohl einiges an Überlegen kosten, denn er verdiente wirklich etwas richtig Tolles.
    „DANKE!“, meinte er strahlend, ehe er nach draußen stürmte. Bill stand an einem der Stehtische und beobachtete den Stand aufmerksam. Irrte Tom sich, oder war da tatsächlich ein freudiges Glitzern in den Augen des Schwarzhaarigen?
    „Ich dachte nicht, dass du noch kommst.“, erklärte Tom, machte jedoch deutlich, dass es sich nicht um einen Vorwurf handelte. Dafür freute er sich viel zu sehr. Es sah wirklich so aus, als hätte er eine Chance.
    „Ja, ich dachte, dass es keinen Sinn hätte, wenn ich früher käme. Nachher hätt ich nur rumgesessen. Hab ich so zwar auch größtenteils, aber… naja, jetzt bin ich ja hier.“
    „Stimmt, das bist du.“, stellte der Hopper zufrieden fest. „Was hältst du von dem Karussell am anderen Ende des Weges? Könnt mir nur vorstellen, dass es besser wär, die Fahrgeschäfte abzuklappern, ehe wir was essen. Oder… meinst du, das wäre zu kindisch?“
    Bestimmt nicht, befand Bill und schüttelte den Kopf. Selbst wenn. Warum nicht, was sprach denn dagegen? Zumindest ihm fiel nichts ein.
    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Tom sinnierte darüber, ob er es wagen konnte, Bills feingliedrige Hand zu ergreifen, traute sich jedoch nicht so recht. War wohl auch besser, redete er sich selbst tröstend zu.
    Während er einen Kunden bediente, warf Gustav den beiden noch einen Blick hinterher. Er würde sich wirklich freuen, ginge Toms Weihnachtswunsch in Erfüllung, denn er kannte ihn gut. Nach außen hin gab er sich immer taff, doch in Wahrheit hatte er schon lang nach jemandem wie diesem Bill gesucht. Wo er ihn nun getroffen hatte, bestand für Gustav die Hauptsache darin, dass das Ganze nicht schiefging.
    Aber er war guter Hoffnung, zwar war Tom ein Hopper, aber dennoch ein wirklich liebenswürdiger und ehrlicher Mensch. Dazu sah er gut aus und Bill schien ein gewisses Maß an Interesse zu zeigen. Irgendwie würde das schon was werden ...
    Gedanklich ging der 21 Jährige im Kopf noch einmal das Geld durch, was er mit hatte. Wenn er sich nicht irrte, waren 10 Euro in seinem Portmonee. Er hatte extra noch mal einen Monatsplan erstellt und geschaut, was er bis Weihnachten noch ausgeben konnte, wegen dem Glühwein den er immer an Toms Stand trank und halt auch heute, das was sie hier noch ausgeben würden. 10 Euro hielten sich wahrlich in Grenzen, aber immerhin etwas.
    „Quatsch, ist doch nicht kindisch, sondern eher typisch für Jungs in unserem Alter. Ich glaube wir sind nicht die einzigen Jungs Anfang zwanzig, die sich einen Spaß draus machen, Karussell zu fahren!“, lachte Bill und sah sich um.
    „Nur müssen wir uns ein bisschen beeilen, wenn wir Karussell fahren und Essen wollen und so. Eine Stunde haben wir ja nur etwa Zeit, ich wollte dich nur nicht eher holen, weil ich nicht wollte, dass dein Kollege dann sauer wird, ich kenn ihn ja nicht. Also dann ... Karussell? Dann könnten wir ja noch Riesenrad fahren, das bin ich lange nicht mehr, und danach was essen?!“
    Klang doch gut. Definitiv.
    Die Schlange vor dem Karussell war nicht gerade lang, sodass sie gleich bei der nächsten Runde mitfahren durften. Eigentlich hätte der Hopper Bill gerne eingeladen, doch er war sich nicht sicher, wie dieser das auffassen würde. Immerhin hatte er ihn schon bei sich frühstücken lassen, insofern… naja, er sollte es besser dabei belassen.
    Kichernd suchten die beiden sich ein Gefährt aus, ehe es dann losging. So aufregend, wie sie das Ganze in Erinnerung hatten, war die Karussellfahrt zwar nicht, dadurch, dass sie sie gemeinsam unternahmen, wurde dies jedoch wieder ausgeglichen. Wirklich, so viel Spaß hatten sie lange nicht mehr gehabt.
    Noch immer giggelnd stolperten sie nach der Fahrt in Richtung Riesenrad. Als wären sie betrunken. Das war eventuell ein wenig peinlich, doch es könnte die beiden nicht weniger interessiert haben.
    Tom strahlte Bill an. Alles war so… so perfekt irgendwie. Sein Blick wanderte in Richtung Himmel, wo ihm eine Sternschnuppe ins Auge fiel. Für abergläubisch hielt er sich eigentlich nicht, dennoch senkte er seine Lider und tat das, was er bereits als Kind geliebt hatte. Er wünschte sich etwas.
    Was das war, konnte man leicht erraten, aber das war gleich, Bill bekam nicht einmal mit, dass der Hopper eine Sternschnuppe entdeckt hatte ...
    Fünf Minuten später saßen sie in einer der Gondeln des Riesenrads, welches sich soeben in Bewegung setzte. Bill war wirklich gespannt, wie gleich die Aussicht werden würde. Er war so lange nicht mehr Riesenrad gefahren und konnte sich denken, dass es wirklich hübsch aussah, alles von oben zu sehen.
    „Oh, schau mal, wie schön!“, lächelte Tom seine Begleitung an und zeigte auf den riesigen Weihnachtbaum hinter Bill. Sofort drehte der Angesprochene sich um lächelte ebenfalls. Ja, es war wirklich hübsch, so, wie er es erwartet hatte.
    „Haha, guck mal dort hinten!“, zeigte Tom abermals in eine Richtung in die Bill seinen Blick schweifen ließ.
    „Was meinst du?“, Bill erkannte nicht so recht, worum es seinem Begleiter gerade ging. Konzentriert kniff er seine Augen zusammen, doch so sehr er sich auch bemühte, er entdeckte es einfach nicht.
    „Nicht? Schau einfach ganz genau hin: Siehst du nicht den Weihnachtsmann da hinten? Der grad umgekippt ist? Ich weiß, man soll nicht über die Missgeschicke anderer lachen, aber… der Kerl ist einfach… fürchterlich, total arrogant. Geschieht ihm recht.“
    Nun verstand Bill, was gemeint war. Zwar kannte er den Mann nicht und konnte daher nicht beurteilen, ob die Kritik des Hoppers zutraf, er vertraute ihm jedoch genug, um ihm das zu glauben. Wie ein Käfer lag der verkleidete Kerl auf dem Rücken und strampelte mit den Beinen. Hatte wohl zu viel Glühwein intus.
    Langsam ging es nach der ersten Runde wieder herunter. Am liebsten wäre Bill oben geblieben. Von oben sah die Stadt so wunderschön aus. Glitzernd.
    Als sie wieder unten ankamen, ging es aber direkt wieder hoch. Mehrere Male drehte das Riesenrad sich, ließ seine Insassen noch einige Blicke über den leuchtenden Weihnachtsmarkt werfen, ehe es langsamer wurde und letztendlich stehen blieb, als alle Gäste wieder ausgestiegen waren.
    Am liebsten hätte Tom die Situation noch weiter 'ausgenutzt', immerhin war es romantisch, mit dem Riesenrad zu fahren, aber letztendlich hatte er sich nicht getraut, schon wieder Annäherungsversuche zu starten, er wollte letztendlich ja auch nicht zu aufdringlich sein und damit womöglich Bill noch überfordern oder gar vergraulen. Das war sicher nicht seine Absicht, weswegen er sich zusammengerissen und zurückgehalten hatte.
    „So, und jetzt noch etwas essen?“, fragte Bill lächelnd. Viel Geld hatte er leider nicht mehr übrig.
    „Klar, was Richtiges oder nur so zum Naschen?“, hakte der 23 Jährige nach und ging lächelnd neben seiner Begleitung her.
    „Was Richtiges?!“, antwortete Bill ein wenig verlegen.
    „Gut, dann gibt es vorher aber noch was zum Naschen! Ich spendiere dir das, denn ich wette, du hast noch nicht diese Crepes gegessen, mit Zimt und Schokolade bestrichen, richtig? Und da du das unbedingt mal gegessen haben musst, gebe ich dir eins aus! Und ich will auch eins, deswegen ...“
    Lachend griff Tom Bill am Handgelenk und zog ihn hinter sich her zum nächsten Stand, der so etwas verkaufte. Er fand diese Crepes wirklich verdammt lecker, die musste man einfach mal probiert haben.
    So voll war es gar nicht, weswegen es nur wenige Minuten dauerte, bis sie ihre Bestellung in den Händen hielten. Bill schnupperte zögerlich daran, ehe er einen Biss wagte. Denn wenn es so roch, wie es schmeckte… Erwartungsvoll wurde er von dem jungen Hopper beobachtet, was ihm generell nicht allzu angenehm war. Wenn jemand ihm beim Essen zusah, fürchtete er stets, sich zu blamieren.
    Genüsslich schloss er die Augen. Wirklich, das Zeugs war himmlisch. Darauf hätte er längst mal kommen können, die Crepes mal probieren können. Was hatte er nur verpasst?
    „W…wow. Ich… ich war schon so oft hier und noch nie hab ich… Warum hast du mir nicht vorher hiervon erzählt?“, erkundigte er sich gespielt vorwurfsvoll.
    „Hast ja nicht gefragt, da brauchste dich dann auch nicht wundern.“, Tom ließ sich auf das Spielchen ein und neckte ihn. Das hier kam einem Flirt wohl ziemlich nahe, was war nur mit Bill los? Also im positiven Sinne? Enthielten die Crepes womöglich Substanzen, von welchen er nichts wusste? Falls ja, dann hatte Bill gar nicht so unrecht gehabt, dann hätte er ihm mal vorher davon erzählen sollen. Mist. Aber hinterher war man ja immer schlauer.
    „Paaaah.“, war die einzige Antwort, welche er darauf erhielt. Und eine rausgestreckte Zunge. So eine Frechheit…
    Tom lachte.
    „Du wirst ganz schön frech, Kleiner!“
    Mit einem kecken Zwinkern schüttelte Tom amüsiert den Kopf, was Bill sofort erröten ließ. Erst jetzt bemerkte er, wie locker er mittlerweile bei dem Hopper geworden war. Aber ... eigentlich gab es doch keinen Grund zum Schämen, oder? Es gab keinen Grund, sich wieder zurückzuhalten ...
    Der 21 Jährige drängte die Röte auf seinen Wangen zurück und schmunzelte.
    „Nein, ehrlich, das Zeug ist wirklich lecker. Das müssen wir die Tage mal wieder essen!“
    Erstaunt sah Tom sein Gegenüber an. Hieß das etwa, dass Bill nochmal etwas mit ihm auf dem Weihnachtsmarkt unternehmen wollte? Seinem Blick nach, ja ...
    Ein sanftes Lächeln glitt über die Lippen des Älteren. Er konnte es sich nicht verkneifen kurz, wie benommen, seine Hand auf Bills Wange zu legen.
    „Können wir gerne machen! Aber jetzt lass uns mal weiter gehen, sonst fällst du mir noch vom Fleisch, wenn du nichts Richtiges zu Essen bekommst.“
    In gewisser Weise rührten diese Worte Bill, er konnte sich nicht daran erinnern, wann sich das letzte Mal jemand so um ihn gekümmert hatte. Ob das sein Weihnachtsgeschenk war? Dass er Tom hatte kennenlernen dürfen?
    „Ich denk nicht, dass das passiert, aber… hab nix dagegen einzuwenden.“, ließ er verlauten, ehe er dem 23 Jährigen folgte.
    „Man sollte kein Risiko eingehen.“
    Dem konnte Bill nur zustimmen. Denn so lecker die Crepes schmeckten, gesättigt hatte ihn seiner kaum. Das Appetithäppchen hatte vielmehr das genaue Gegenteil bewirkt: Jetzt war er erst recht hungrig.
    Wann hatte er jemals einen Abend so sehr genossen wie heute? Musste lange her sein. Sehr lange. Denn wie oft unternahm er schon einmal was? Und angenommen er tat es, wann hatte er dann jeglichen Gedanken an all die Probleme vergessen? Sich so unbeschwert gefühlt? Wenn das so weiterging, würde er noch grundlos zu giggeln beginnen, so gut fühlte er sich gerade.
    Aber dafür wollte er sich nicht blamieren und unterdrückte daher vehement das Bedürfnis debil zu grinsen und zu kichern wie ein kleines Mädchen.
    Und so verging der Rest des Abends viel zu schnell. Sie gingen an einen Stand Bratwurst essen, quatschten noch ein bisschen und machten sich letztendlich auf den Weg zum Parkplatz, als beinah alle Stände geschlossen hatten.
    Seufzend ließ Bill sich auf den Beifahrersitz fallen. Tom hatte ihm wieder angeboten, ihn nach Hause zu fahren, was der 21 Jährige abermals dankend angenommen hatte. Zwar hoffte er gewissermaßen, dass Tom ihn wieder mit zu sich nahm, aber letztendlich glaubte Bill nicht dran und unterdrückte wie vorhin schon das Kichern, den Wunsch. Es war klar, dass Tom ihn nicht jedes Mal zu sich nahm, wenn er vorgab, ihn nach Hause zu fahren und letztendlich war es auch sicher gut so, immerhin sollten sie sich langsam kennenlernen. Okay, der gestrige Abend hatte dem keinen Abbruch oder Schaden getan, aber dennoch, Bill wollte nicht zu viel Hoffnung in die ganze Sache legen. Dass er mittlerweile tatsächlich hoffte, dass es was mit Tom werden könnte, und er langsam ebenfalls Gefühle entwickelte, konnte er nicht verleugnen. In seinem Bauch kribbelte es angenehm...
    Die Gedanken des Hoppers rasten derweil. Ja, er würde Bill gern mit zu sich nehmen. Wirklich. Nur… garantiert würde er ihn damit überfordern. Diese Möglichkeit gefiel ihm so gar nicht. Nein, heute würde er tun, was er gesagt hatte und ihn zu sich nach Hause bringen. Schließlich ging es nicht immer nur um ihn. Wobei das eigentlich schon ganz schön wäre.
    Naja. Sie hatten einen wunderschönen Abend verlebt, zumindest empfand er es so. Und Bills Gesichtsausdruck zufolge sah der das gar nicht so anders. Das war doch ein Etappensieg. Ein Schritt in die richtige Richtung. Ja, er sollte echt zufrieden sein. Bestimmt würde er ihn morgen wiedersehen.
    Er begann, sein Tempo zu drosseln, da er inzwischen in der Straße angekommen war, in welcher Bill wohnte. Schön war’s hier wirklich nicht. Und allzu wohl fühlte er sich bei dem Gedanken, seinen Angebeteten hier rauszulassen, auch nicht.
    Zwar hatte dieser sich bereits ausrechnen können, dass es unwahrscheinlich wäre, wieder mit zu Tom nach Hause genommen zu werden, dennoch empfand er es als äußerst schade, dass es nicht geschehen war. So kannte er sich selbst gar nicht.
    Wehmütig verabschiedete er sich von Tom, der ihm noch nachsah, als er sich auf den Weg in seine Wohnung machte.
    Woran die beiden in dieser Nacht vor dem Einschlafen dachten, war wohl nicht allzu schwer zu erraten.

    19.12.2011

    Aufgeregt eilte Bill über den überfüllten Weihnachtsmarkt. Hoffentlich würde Tom nicht sauer sein, dass er ein paar Minuten zu spät war, aber er hatte einfach die Zeit vergessen, als er sich ein wenig zurechtgemacht hatte.
    Er und der Hopper waren heute verabredet, für eine kleine Pause. Die hatte Tom in den letzten Tagen einfach eingeführt, weil es auf Dauer einfach nicht machbar war, zwölf Stunden am Stück zu arbeiten, wenigstens ein kleines Päuschen hatte er sich verdient. Deswegen hatten sie sich jetzt immer für 19 Uhr verabredet. Ab da war Bill dann da. Zwar war er Anfang Dezember immer den ganzen Tag da gewesen, aber jeder Tag der verging, trieb mehr Leute auf den Weihnachtsmarkt. Es war einfach nur noch Hektik und für Tom Arbeit pur geworden. Außerhalb seiner kleinen Pause hatte er durchweg zu tun, sodass es für Bill keinen Sinn machte, den ganzen Tag dazustehen und zu warten. Okay, auch das war anfangs immer so gewesen, weil er sein eigenes Zuhause so verabscheute, aber ... in den letzten Tagen hatte sich einfach einiges geändert. Er war viel fröhlicher, einfach besser gelaunt und nicht mehr zu trübsinnig. Tom hatte ihn richtig zum Auftauen gebracht und wenn er dann wusste, dass er sich abends zu Toms Pause mit dem Hopper traf und ihm danach die restlichen Stunden noch im Stand half, hatte er den ganzen Tag etwas, worauf er sich freuen konnte.
    „Tut mir leid, ich hab total die Zeit vergessen!“, keuchte Bill erschöpft, als er an der Süßigkeiten- und Glühweinbude ankam und sie betrat. K.o. lehnte er sich auf den Tisch, nachdem er sich hatte auf den Stuhl fallen lassen. Er war wirklich den ganzen Weg hierher gerannt und nun einfach nur noch fertig. Tom würde die ersten Minuten seiner Pause wohl nicht viel mit ihm anfangen können und ihn auch nicht von diesem Stuhl hoch kriegen. Gott sei Dank blieben sie meist eh hier, ruhten sich aus, quatschten und aßen und tranken etwas, je nachdem, wie sie Lust hatten.
    „Kein Problem, ich seh ja, dass du wohl mit allen Mitteln versucht hast, das Zuspätkommen zu verhindern!“, schmunzelte Tom und gab dem Schwarzhaarigen zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.
    „Kann man wohl sagen. Ich dachte echt, ich schaff’s nicht mehr, aber… ist wohl ein Wunder geschehen. Da siehste mal, was ich alles für dich tue.“, scherzte Bill.
    „Sehr aufopfernd. Wirklich. Vielleicht sollte man dich mit dem Bundesverdienstkreuz ehren, Schnuffi.“
    „Ja, das… das empfände ich durchaus als angebracht. Kannst mich ja vorschlagen. Würd bestimmt gewinnen.“, schmunzelte der 21 Jährige. So locker war er selten, in Toms Gegenwart jedoch… er fühlte sich noch immer so unglaublich beschwingt. Als ginge er auf Wolken. Ständig hätte er die ganze Welt umarmen können. Dass er echt verknallt war, leugnete er nicht und sogar er, der normalerweise immer ein ziemliches Brett vorm Kopf hatte, wenn es darum ging, die Gesten und die Mimik anderer zu interpretieren, merkte, dass es Tom nicht anders ging. Sicher, das war ziemlich offensichtlich gewesen, als er ihn vor einer Weile geküsst hatte, doch… es hätte sich ja auch ändern können, er hätte ihn enttäuschen, seinen Erwartungen nicht gerecht werden können. Doch wie es schien, hatte er das getan. Und wirklich, Tom war wie… ja, ihn kennenzulernen war ein Geschenk des Himmels gewesen. Vielleicht die Entschädigung für all die schlechten Dinge, die in seinem Leben bisher geschehen waren? Er wusste es nicht, doch es war ihm auch relativ egal. Er hatte ihn kennengelernt und das war alles, was zählte.
    Er wünschte nur, sie könnten endlich den Schritt gehen, den Tom bereits einmal getan hatte, einander richtig küssen. Nur wie sollte er das anstellen? Er war so furchtbar schlecht in derartigen Dingen. Aber er hielt es einfach nicht länger aus. Wie sollte er das Tom nur signalisieren? Er hatte von sowas doch keine Ahnung.
    Tom rührte in seinem Getränk. Ob er es wirklich wagen konnte? Eigentlich sollte man das doch meinen, so ausgelassen wie Bill mittlerweile war… Manche Chancen musste man nutzen, nicht wahr?
    Aber was war, wenn er ihn damit überforderte? Vielleicht sogar sie beide ...
    „Guck mal, ich dachte mir, dass du bestimmt Hunger hast ...“, lächelte Bill verlegen und hielt dem Hopper eine Tüte mit einem halben Brathähnchen hin. Tom hatte ihm die letzten Tage immer wieder was Süßes und Glühwein ausgegeben, da wollte er sich auch mal revanchieren.
    Erstaunt blickte der 23 Jährige auf und lächelte dann.
    „Danke!“
    Sofort nahm er dem Jüngeren die Tüte aus der Hand und holte das Essen raus. Er war wirklich hungrig, und Brathähnchen war jetzt genau das Richtige.
    Rasch holte er noch zwei Pappteller und legte dann das Essen darauf.
    „Möchtest du auch was?“, fragte er lächelnd sein Gegenüber, während Georg diesem gerade einen Becher Glühwein hinstellte.
    „Oder du Georg?“
    Der Angestellte schüttelte grinsend den Kopf und machte sich sofort wieder an die Arbeit.
    „Nein, ich hab das doch für dich mitgebracht!“
    Verlegen röteten sich die Wangen des 21 Jährigen ein wenig. Hunger hatte er eigentlich auch ein bisschen, aber er fand, es kam blöd, wenn er was zu Essen für Tom mitbrachte und dann selbst etwas davon aß.
    Aber der Hopper sah ihm an, dass er nur aus Anstand abgelehnt hatte, weswegen er einfach den Hähnchenschenkel löste und auf den zweiten Pappteller legte, bevor er ihn zu Bill schob und ihn angrinste.
    Augenrollend seufzte der Jüngere auf.
    „Du hast mich mal wieder durchschaut. Wie immer!“
    „War jetzt aber ehrlich gesagt auch nicht so schwer.“, gestand Tom breit lächelnd. „Hab auch unter anderem deinen Magen knurren gehört, also…“
    „Mist. Ich dachte, ich hätt’s verbergen können.“
    „Da muss ich dich leider enttäuschen.“, entgegnete der Hopper, ehe er sein Brathähnchen kostete. Köstlich. Was allerdings noch köstlicher schmeckte, waren Bills Lippen. Oh, er wünschte, er könnte diese mal wieder auf seinen spüren. Verdammt, er fühlte sich wie ein Drogensüchtiger auf Entzug. Es war doch bald Weihnachten und irgendeine Möglichkeit musste doch existieren. Sie konnten doch nicht ewig so weitermachen, nur weil sie sich beide nicht trauten, aus Furcht, den anderen und sich selbst zu überfordern.
    Wenn Tom mal genauer darüber nachdachte, war ihr Verhältnis immer besser geworden, wenn er etwas riskiert hatte. Als er Bill geküsst hatte, hatte dieser es erwidert. Als er ihn hatte nach Hause bringen wollen, hatte er ihn mit zu sich genommen und Bill war an seiner Seite eingeschlafen. Ja, das konnte man doch als gutes Omen interpretieren.
    Still aßen die beiden, wobei der 23 Jährige seinem Gegenüber immer wieder unauffällig beobachtete. Einerseits schien er sich wohlzufühlen, andererseits wirkte er aufgeregt. Konnte allerdings auch dadurch begründet sein, dass er von seiner Rennerei noch immer außer Atem war.
    „Bill?“, wisperte der Hopper, nur in der Hoffnung, dass der Angesprochene aufsah und er ihm in die Augen sehen konnte. Es funktionierte auch, Bill hob seinen Blick und sah ihn fragend an. Und dann konnte Tom einfach nicht anders, stand auf, ging um den Tisch herum, nahm Bills Gesicht in beide Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
    Nach wenigen Sekunden löste er sich wieder von ihm und sah dem Jüngeren überrascht von sich selbst in die Augen.
    „S ... Sorry, ich ... ich weiß nicht, was in mich gefahren ist ...“
    Hastig fuhr Tom sich mit einer Hand durchs Gesicht und setzte sich ohne ein weiteres Wort zurück auf seinen Stuhl.
    Bill hatte keine Ahnung, was er tun oder sagen sollte. Er war erstaunt, überrumpelt, aber nicht ... abgeneigt ... Es hatte sich schön angefühlt. Das zu sagen, traute er sich allerdings nicht. Deswegen beließ er es bei einem verlegenen Lächeln und zupfte an dem Brathähnchenschenkel herum. Dass er dabei grinste wie ein verliebtes Schulmädchen, bemerkte er selbst nicht.
    Tom fiel es schon auf, doch er fürchtete, dass es sich um pure Einbildung, pures Wunschdenken handelte. Was war denn da nur in ihn gefahren?
    Georg, der das Ganze aus dem Augenwinkel versehentlich beobachtet hatte, hätte sich die Hand gegen die Stirn schlagen wollen. Das war ja schon irgendwie süß mit den beiden, doch auf Dauer ging das auf keine Kuhhaut, dieses ständige Rumgetänzel um den anderen, worauf sich einer dann doch wieder zurückzog. Und jetzt war sein Chef auch noch deprimiert, weil er annahm, er hätte Mist gebaut. Bald war doch Weihnachten, konnte er nicht einmal den Weihnachtsengel spielen?
    Während er einen Kunden bediente, dachte Georg darüber nach, wie er den beiden helfen konnte. Was ihm klar war, war, dass er sie hier raushaben wollte. Sie befänden sich heute beide nicht mehr in der Lage, irgendwie zu helfen. Im Gegenteil, so, wie sie sich jetzt verhielten, würden sie ihn bloß aufhalten. Wären ein Klotz am Bein. Konnte er das sagen? Oder würde das nur dazu führen, dass Bill beschämt von dannen zog und alles nur noch verschlimmern?
    Am Ende irrte er sich auch nur, und die beiden würden gleich wieder normal sein.
    Tom war in den letzten Tagen schon oft hibbelig und unkonzentriert gewesen. Das mochte zum Teil daran liegen, dass er einfach überarbeitet war, zum anderen aber auch an diesem Techtelmechtel mit Bill. Wobei man das nicht mal als solches bezeichnen konnte ... Es war einfach ein Hin und Her. Die zwei brauchten vermutlich einfach mal mehr Zeit miteinander und Tom musste mal richtig ausschlafen!
    Da kam Georg eine spontane Idee ... Gustav hatte sicher auch nichts dagegen, wollte morgen sowieso schon eher kommen und war auch schon die ganzen tage dran die beiden Turteltauben zu beobachten. Auch er hoffte jeden Tag darauf, dass die zwei mal einen Schritt weitergingen. Okay, der Kuss eben war zwar schon sowas, aber sonderlich viel gebracht hatte das anscheinend auch nicht.
    „Ach Tom?“, rief Georg scheinheilig und grinste, während er einer Kundin eine Tüte gebrannte Mandeln reichte, die sie auch direkt bezahlte.
    „Hm?“, kam es murmelnd und schmatzend zurück. Aufmerksam sah der Hopper seinen Kollegen und Kumpel an, der sich nun zu ihm wandte und sich lächelnd gegen den Tresen lehnte.
    „Ich hab dir ganz vergessen zu sagen, dass du morgen frei hast! Gustav hat gesagt, dass du gestern ständig irgendwas vermasselt hast, also Wein verschüttet und so und wir sind der Meinung, dass du einfach mal einen Tag zum Verschnaufen brauchst. Deswegen: Schlaf dich morgen mal so richtig aus, klar? Und ... vielleicht würde es euch auch mal gut tun, wenn ihr unter euch seid, und nicht immer auf dem Weihnachtsmarkt, wo in jeder Sekunde jemand da ist.“
    Tom runzelte die Stirn. Der Blick seines Kumpels duldete keinen Widerspruch und er konnte auch nicht behaupten, dass er etwas gegen einen freien Tag einzuwenden hatte. Ganz im Gegenteil. Er konnte diesen mehr als gut gebrauchen, so erschöpft fühlte er sich in letzter Zeit. Ausgebrannt. Lag allerdings auch teilweise daran, dass er ständig nur an Bill dachte, weswegen meist an Schlaf erst spät zu denken war. Stundenlang lag er teilweise wach und grübelte darüber nach, wie er endlich das Happy-End herbeiführen konnte, nach welchem er sich so sehnte. Und wenn dann jeden Morgen der Wecker klingelte, gefühlte fünf Minuten nach dem Einschlafen, dann war das nicht gerade förderlich. Ein wenig länger zu schlafen, würde ihm definitiv guttun. Und zudem würde ein freier Tag es ihm ermöglichen, sich mit Bill zu treffen. Und mehr als nur zwei Stunden mit ihm zu verbringen.
    Dennoch konnte er nicht zeigen, dass ihn das so glücklich stimmte. Schließlich war er quasi der Chef hier. Unentbehrlich sollte er damit sein. „Aber ich kann doch nicht… das wäre euch gegenüber nicht fair, ich kann euch doch nicht so schmählich im Stich lassen. Ihr werdet…“
    „Glaub mir, wir haben das geplant, das wird schon. Hab Vertrauen in uns.“, entgegnete Georg, der gezielt davon absah, Bill gegenüber auf die sich in letzter Zeit häufenden Missgeschicke hinzuweisen. Die sollte Tom selbst bereits bemerkt haben. Zudem war sein Versuch, abzulehnen, äußerst halbherzig gewesen, was Georg schmunzeln ließ. Wollte wohl Bill gegenüber männlich wirken und fürchtete, dieser Eindruck könne abgeschwächt werden, wenn er Schwäche gestand. Wobei das eigentlich wesentlich mehr Mut erforderte.
    „Na gut.“, grummelte der Hopper ein wenig beleidigt und kaute schmollend auf einem Stück Fleisch herum, während er heimlich zu Bill rüberschielte. Dieser lächelte nur Georg an und schüttelte amüsiert den Kopf.
    Ja, die beiden verstanden sich gut ... zu gut, für Toms Geschmack. Nachher begannen sie am Ende noch sich über ihn lustig zu machen - hinter seinem Rücken!
    Vehement schüttelte Tom den Kopf. Er spann sich mal wieder einen Mist zusammen, da hielt er es kaum selbst mit sich aus.
    „Wollt ihr heute noch bis zum Schluss mitmachen oder schon gehen?“, fragte Georg, als er eine weitere Kundin bedient hatte, dabei aber auch feststellte, dass der Besucherandrang mit einem Mal schlagartig zurückgegangen war. Lag wohl daran, dass es mittlerweile begonnen hatte, zu regnen. Der Schnee wurde ein wenig matschig und die Leute schienen zu tun zu haben, nicht hinzufallen. Die weiße Winterpracht schmolz zwar nicht, aber wurde glatt durch den Regen.
    Außerdem wollte er den beiden die Wahl lassen, jetzt schon zu gehen oder noch zu bleiben. Wie geplant Tom wegschicken, kam jetzt für ihn nicht mehr in Frage, denn das würde der Hopper jetzt nicht mehr mit sich machen lassen, wo er für morgen schon quasi Zwangsurlaub aufgebrummt bekommen hatte.
    „Hey ... Jaja Georg, wir bleiben noch, ich mach auch gleich mit weiter, aber ... Bill ... Also wo ich nun ja morgen frei hab ... Hast du da nachher Lust wieder mit zu mir kommen, einen Film zu gucken oder so? Morgen können wir dann ja ausschlafen und wenn du möchtest, noch irgendwas unternehmen oder so ...“
    Ein Lächeln huschte über Bills Lippen. „Klingt gut, aber wenn wir das machen, sollten wir vielleicht vorher ein paar Sachen von mir holen. Also, es sei denn, du hast was dagegen. Wär eventuell praktischer, sonst müsste ich ja doch noch einmal zu mir nach Hause, ehe wir morgen gegebenenfalls was unternehmen könnten. Mir gefällt die Idee jedenfalls.“, erklärte er.
    Es war offensichtlich, dass er sich über Toms Zwangsurlaub freute. Nicht nur, weil er dann Zeit mit ihm verbringen konnte, da war auch noch irgendetwas anderes. Ein Gefühl, das er momentan nicht so recht benennen konnte. Eine… Hoffnung?
    „Ist gar kein Problem. Auf die Idee hätt ich vermutlich selber kommen können. Und vor allem kommen sollen, aber… nun gut, du hast mich ja glücklicherweise noch rechtzeitig daran erinnert… Bedeutet das, dass du nachher mitkommst?“, erkundigte Tom sich für seine Verhältnisse beinahe zaghaft.
    „Was dachtest du denn, was das bedeutet, was ich grad gesagt habe? Dass ich nicht will? Dass ich nur so darauf hinweise, dass ich dann noch Sachen zum Wechseln brauche?“, Bill kicherte.
    Der Hopper zuckte verlegen die Schultern. „Hätte ja sein können.“, begründete er sein Verhalten halbherzig. Tief in seinem Inneren hätte er sich am liebsten die Hand gegen die Stirn geschlagen. Dieser Kerl brachte ihn noch um den Verstand. Und er genoss es auch noch. Er musste wirklich etwas unternehmen, ehe er noch seinen Namen vergaß.
    Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, machten sie sich wieder an die Arbeit. Beide erfüllte der Gedanke an den Feierabend mit Vorfreude. Obgleich sie beide auch ein wenig Furcht empfanden.
    Vor allem Tom war nervös, auch wenn er gleichermaßen erleichtert war, immerhin war sein Angebot für heute Abend und den morgigen Tag so gemeint, dass Bill auch über Nacht bei ihm blieb, und er hatte es offensichtlich auch so aufgenommen. Wenn Tom ehrlich war, hätte er nicht gedacht, dass der Jüngere es so annahm. Okay, einmal hatte Bill ja schon bei ihm geschlafen, aber das war ja mehr oder minder ein Versehen gewesen, ansonsten hatten sie sich bisher nur ein weiteres Mal gemeinsam zu ihm gewagt. Oder besser gesagt Bill zu ihm, denn da war er zu ihm zum Frühstücken gekommen, da Tom ja erst um zehn Uhr mit dem Arbeiten anfangen musste.



    Zitat des Tages

    "Wer vor 13.000 Leuten steht, nicht aufgeregt ist und jede Show perfekt spielt, der ist aus meiner Sicht kein wirklicher Drummer!“ 

    Drumheads Interview, 2010


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